Der Weg der Zitruspflanzen von Asien bis zur Insel Mainau

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Jedes Jahr von Anfang Juni bis Mitte September ist die Zitrussammlung der Insel Mainau mit ihren seltenen, historischen Arten in ihren schönen Gefäßen nach Versailler Vorbild im Schlosshof zu bewundern. Wo die Zitrusgewächse ihren Ursprung haben, wie sie sich im Laufe der Jahrhunderte über die Welt ausbreiteten und wie sie schließlich auch den Weg auf die Insel Mainau gefunden haben, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Botanische Wurzeln und Vielfalt
Zitrusfrüchte werden schon in der griechischen Mythologie als goldene Äpfel im Garten der Hesperiden erwähnt. Doch erst 2015 haben Forscher der Oxford University in einer Genomanalyse von 30 Citrus-Arten herausgefunden, dass alle Zitrusarten von der Chinesischen Buchsorange (Severinia buxifolia) abstammen. Sie wuchs bereits vor über sieben Millionen Jahren im Süden Asiens. Aus dieser entwickelten sich drei weitere Hauptgruppen, die Vorfahren der heutigen Zitronat-Zitronen (C.medica), Mandarinen (C. reticulata) und Pampelmusen (C. maxima). In den nächsten Jahrmillionen spalteten sich die Gruppen weiter auf und es entstanden Sorten und Arten wie z.B. Orangen (C. sinensis) und Pomelo (Sorte von C. maxima). Zitronen entstanden erst später, vor etwa 1,5 Millionen bis 200.000 Jahren, aus einer Kreuzung von Zitronat-Zitrone (C. medica) und Pomeranze (C. aurantium), die auch als Bitterorange bezeichnet wird. Die Zitruspflanzen kreuzen sich sehr willig untereinander und so entstanden in der evolutionären Geschichte zufällig oder bewusst durch den Menschen gelenkt, viele Zitrusarten und -sorten. Neben der Gattung Citrus zählen auch die Gattungen Fortunella (aus China und Japan), Eremocitrus und Microcitrus (beide aus Australien), Poncirus (aus Nord- und Zentralchina) und Clymenia (vom Bismarck-Archipel) zur Gruppe der Zitruspflanzen bzw. zum Unterstamm Citrinae. Sie gehören alle der Familie der Rautengewächse (Rutaceae) an.

Sie begeistert jährlich immer wieder viele unserer Gäste - die historische Zitrussammlung der Insel Mainau im barocken Schlosshof

Der ostasiatische Raum gilt als Wiege der Zitrusfrüchte und so wurde Citrus bereits vor 4000 Jahren in China kultiviert. In der Hochblüte der Han-Dynastie um 200 v. Chr. gab es ein „Orangenministerium“. Nur der Kaiser und seine höchsten Beamten durften Orangen und andere Zitrusfrüchte als Tribut eintreiben. Die Mandarine (C. reticulata) war die Frucht der Reichen. So hießen auch die höchsten Staatsbeamten „Mandarine“. Die Früchte zierten Gemälde und deren ätherische Öle wurden bereits als Aromastoffe genutzt.

Alexander der Große hatte durch seinen Feldzug nach Persien und Indien (334-324 v. Chr.) die Zitronat-Zitrone (C. medica) nach Kleinasien gebracht. Über die damaligen Handelswege gelangten Orangen (C. sinensis) und Pomeranzen (C. aurantium) in den arabischen Raum. Eine weitere Verbreitung in den Mittelmeerraum erfolgte durch jüdische Migranten nach der Zerstörung Jerusalems (70 n. Chr.) und durch die arabische Eroberungen im 9. Jahrhundert. Um 1500 waren im Mittelmeerraum Zitronat-Zitronen (C. medica), Zitronen (C. limon), Sauere Limetten (C. aurantiifolia), Pampelmusen (C. maxima), Pomeranzen (C. aurantium) und Orangen (C. sinensis) bekannt. Von Portugal aus brachte Kolumbus die goldenen Äpfel in die neue Welt. Erst 1805 wurde die Mandarine (C. reticulata) aus China nach Europa eingeführt, Kumquats (Fortunella) kamen 1846 nach London.

Im Mittelalter und den folgenden Jahrhunderten waren Zitrusfrüchte nur privilegierten Personen vorbehalten und für die gewöhnliche Bevölkerung nicht erschwinglich. Aus Gründen des Prestiges legten ab der Renaissance mehr und mehr Adelshäuser in Europa  Zitrussammlungen an. Die seltenen Zitruspflanzen wurden weniger als Nutzpflanze betrachtet, sondern vielmehr aufgrund der ungewöhnlichen oder kuriosen Früchte und Blätter wegen gesammelt. Vorreiter waren hier Italien und Frankreich. Nördlich der Alpen mussten die nicht winterharten Zitruspflanzen geschützt in Orangerien überwintert werden. Bekannte Beispiele hierfür sind Schloss Versailles, Schloss Schönbrunn und Schloss Sanssouci.

Heute werden Zitrusfrüchte weltweit in 140 überwiegend subtropischen, aber auch tropischen Ländern der Welt angebaut.

Die historische Zitrussammlung auf der Insel Mainau
Zitrusgewächse haben auf der Mainau eine lange Tradition. Bereits 1866 brachte Großherzog Friedrich I. die ersten Exemplare auf die Insel und ließ sie an die südliche Schlossseite pflanzen, wo bereits Palmen und subtropische Exoten ihren Platz hatten. Lennart Graf Bernadotte setzte 1968 die Erweiterung  der Sammlung fort. Die exklusive und historische Zitrussammlung der Insel Mainau in ihrer heutigen Zusammen­stellung geht auf den Landschafts­architekten Wolfgang Hundbiss zurück. Er kam 1987 mit der Idee auf die Insel Mainau, eine Sammlung äußerst seltener Zitrusarten und -sorten nach historischem Vorbild zusammenzutragen. Hierbei diente das 1708 von J. Chr. Volkamer erschienene, zweibändige Werk „Nürnberger Hesperides“ als Vorbild. Es war die erste deutsche Citrus-Monographie und zählte zu den berühmtesten botanisch-gärtnerischen Veröffentlichungen der damaligen Zeit.

Um dieses alte Kulturgut vor dem Aussterben zu bewahren, beauftragte die Insel Mainau Wolfgang Hundbiss 1990 damit, Edelreiser (=Zweigstücke der Kultursorte, die für die Veredlung benötigt werden) alter und seltener Sorten aus verschiedenen botanischen Gärten und Privatsammlungen alter italienischer Herrschaftsfamilien, darunter auch die Gärten der Medicis, zusammenzutragen. Es wurden 50 Edelreiser für die Sammlung gefunden und in der sizilianischen Baumschule Dr. Messina auf drei Jahre alte Pomeranzen (Citrus aurantium) veredelt. Insgesamt wurden drei Sätze à 50 Exemplare in der Baumschule herangezogen. Ein kompletter Satz wurde später nach Versailles verkauft.

1993 kam die Hesperiden-Sammlung dann endlich auf die Insel Mainau. Seit 1997 wird ein ausgewählter Teil der Sammlung nun jährlich von Anfang Juni bis Mitte September im Schlosshof gezeigt. Zu sehen sind in der heutigen Zusammenstellung der Sammlung nicht nur verschiedene Sorten von Pomeranzen (C. aurantium), sondern auch Zitrus-Varietäten von Limetten (C. aurantiifolia), Orangen (C. sinensis), Pampelmusen (C. maxima), Papedas (C. hystrix), Zedraten (C. medica) und Zitronen (C. limon). Überwintert werden die wertvollen Zitruspflanzen bei etwa 10 °C in den Gewächshäusern unserer Gärtnerei.

Die nach Versailler Vorbild extra angefertigten Kübel unterstreichen den Charakter der wertwollen Zitrussammlung der Insel Mainau

Etwas Besonderes sind auch die Kübel, in welchen die kostbaren Pflanzen kultiviert werden: In Anlehnung an die Hochblüte der Orangerien während der Renaissance und des Barocks sind die Gefäße nach dem Versailler Vorbild extra angefertigt worden und verleihen der Mainauer Zitrussammlung zusätzlichen Glanz.

Tipp:
Informationen zur Pflege von Zitruspflanzen finden Sie in unseren bereits erschienenen Blogbeiträgen unter:
Pflegetipps für Zitruspflanzen
Fragen zu Kübelpflanzen - Zitruspflanzen

Schlagwörter: Zitruspflanzen, Zitrus, Hesperiden, Versaille, Kübelpflanzen, Orange, Limetten, Pomeranzen

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