Die Lebensbereiche der Stauden

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Nicht jede Pflanze fühlt sich an jedem Standort wohl. Deshalb sollte vor dem Pflanzenkauf überlegt werden, für welchen Standort die Pflanze sein soll, um so passende Pflanzen auswählen zu können. Um die verschiedenen Standortansprüche zu strukturieren und übersichtlich zu gestalten, hat Richard Hansen das System der Lebensbereiche der Stauden entwickelt, das die richtige Pflanzenauswahl für die vielfältigen Standorte ermöglicht. Diese Lebensbereiche orientieren sich am jeweiligen Naturstandort. Wie die Unterteilung der Lebensbereiche aussieht und was Sie bei der Bepflanzung der entsprechenden Standorte in Ihrem Garten beachten sollten, erfahren Sie in diesem Blogbeitrag.

Richard Hansen (1912 – 2001), Gärtner und Gartenbauwissenschaftler leistete wichtige Pionierarbeit im Bereich der Pflanzenverwendung. Zum einen legte er den Grundstein zur Staudensichtung mit der Gründung des Sichtungsgartens Weihenstephan, der erstmals die wissenschaftliche Bewertung von Staudensorten ermöglichte. Zum anderen verfasste er 1981 zusammen mit Friedrich Stahl das bis heute Anwendung findende Standardwerk „Die Lebensbereiche der Stauden“ und sorgte so dafür, dass die Verwendung von Stauden im öffentlichen Grün Einzug erhielt.

Prof. J. Sieber, Student von Richard Hansen, hat eine weitere Verfeinerung der Einteilung mit allgemein verständlichen Kurzschreibweisen entwickelt, die heute geläufig ist. Die 7 Lebensbereiche nach Sieber sind:

• Gehölz (G)
• Gehölzrand (GR)
• Freiflächen (Fr)
• Steinanlagen (St)
• Beet (B)
• Wasserrand (WR)
• Wasser (W)

Um eine weitere Verfeinerung der Lebensbereiche vorzunehmen, wird zusätzlich der Feuchtigkeitsgrad des Bodens in vier Stufen unterschieden, die in Zahlen angegeben werden. Den Feuchtigkeitsgrad des Bodens kann man leicht mit der Fingerprobe ermitteln, wie Herausgeber Jürgen Bouillon in seinem Buch „Handbuch der Staudenverwendung“ (2013, Eugen Ulmer Verlag, S. 55) sehr treffend formuliert:

  • Trocken (1): Substrat staubt beim Zerkrümeln und wird bei Befeuchtung deutlich dunkler
  • Frisch (2): Substrat staubt nicht, fühlt sich kühl an und wird beim Trocknen deutlich heller
  • Feucht (3): Substrat ist mit Druck formbar und hinterlässt auf Papier einen feuchten Fleck
  • Nass (4): Substrat tropft aus oder gibt zumindest beim Zusammendrücken Wasser ab.

Um eine Vorstellung der verschiedenen Lebensbereiche zu bekommen, möchten wir Ihnen das Bild eines großen, alten Hausgartens mitgeben. Dort gibt es einen eingewachsenen Bestand an Bäumen und Sträuchern, einen Teich und ein zentrales Haus, sodass verschiedene Lichtsituationen entstehen. Der Garten befindet sich am Hang, sodass außerdem unterschiedliche Feuchtigkeitsverhältnisse entstehen. Ein Teil des Hangs wird mit einer Trockenmauer abgefangen.

Lebensbereich Gehölz
Wir befinden uns nun direkt unter den großen, alten Bäumen in unserem imaginären Garten. Der Lebensbereich Gehölz wird durch schattige bis halbschattige Lichtverhältnisse charakterisiert, die entweder durch Standorte in Gehölzgruppen entstehen oder durch schattenwerfende Gebäude. Der Standort kann trocken-warm oder kühl-feucht ausgeprägt sein und verfügt in allen Fällen über einen humosen Boden. Außerdem ändern sich die Standortverhältnisse im Jahresverlauf, sodass die Flächen im Frühjahr unter kahlen Bäumen lichtdurchflutet sind und im Sommer Beschattung und Trockenheit zunehmen. Pflanzen dieses Lebensbereichs müssen den Wurzeldruck vorhandener Gehölze verkraften können. Besonders gut geeignet für diesen Standort sind Frühlingsgeophyten wie beispielsweise Krokusse (Crocus spec.), Schneeglanz (Chionodoxa spec.) oder Winterlinge (Eranthus spec.), die ihre Vegetationsperiode vor dem Laubaustrieb der Bäume haben und danach als Zwiebel oder Knolle im Boden überdauern. Aber auch Blattschmuckstauden wie zum Beispiel Farne oder das Schaublatt (Rodgersia spec.) eignen sich für diesen Lebensbereich.

Lebensbereich Gehölzrand
Wie der Name schon vermuten lässt, befinden wir uns hier am Rand der Gehölzgruppe am Übergang zur freien Fläche. Dieser Lebensbereich ist geprägt durch sonnige, absonnige oder halbschattige Lichtverhältnisse und orientiert sich an natürlichen Vorbildern wie Waldsaumgesellschaften oder Steppenheidewäldern. Diese Lichtsituation findet man am Rande von Gehölzgruppen oder zwischen lichten Gehölzgruppen sowie im Übergang vom Lebensbereich Gehölz zum Lebensbereich Freifläche. Auch hier werden verschiedene Ausprägungen unterschieden, die von sonnig-warm (südlich der Gehölze) bis absonnig-kühl (nördlich der Gehölze) reichen. Ideal für diesen Standort sind Stauden wie Funkien (Hosta spec.) oder Elfenblumen (Epimedium spec.), aber auch Herbst-Anemonen (Anemone hupehensis) und Christrosen (Helleborus spec.).

Lebensbereich Freiflächen
Nun verlassen wir die alten Bäume unseres gedanklichen Gartens auf die freie Fläche. Der Lebensbereich Freiflächen umfasst offene, gehölzfreie Standorte oder jene mit maximal gelegentlich vorkommendem Gehölzbestand. Sie sind also sonnig, absonnig oder halbschattig. Hierbei ist halbschattig so definiert, dass die Sonne mindestens von Sonnenaufgang bis 11.00 Uhr oder von 13.00 Uhr bis Sonnenuntergang dort sein muss. Je nach Örtlichkeit können die Feuchtigkeitsverhältnisse dieses Lebensbereichs von Trocken (1) bis Nass (4) reichen, natürliche Vorbilder sind Hochstaudenfluren, Wiesen oder Prärien. Entsprechend groß ist die mögliche Pflanzenauswahl. So kommen bei trockenen Freiflächen Stauden wie die Kugeldistel (Echinops ritro) oder die Steppen-Wolfsmilch (Euphorbia seguieriana ssp.niciciana) zum Einsatz, für frische Freiflächen eignen sich beispielsweise Scheinsonnenhüte (Echinacea spec.). Für feuchte Freiflächen sind die verschiedenen Sorten der Wiesen-Iris (Iris sibirica) gut geeignet.

Lebensbereich Steinanlagen
Dieser Lebensbereich ist geprägt durch skelettreiches Substrat mit hoher Wasserdurchlässigkeit. Die Lichtverhältnisse können von sonnig über absonnig und halbschattig bis zu schattig reichen. Der pH-Wert kann je nach Ausgangsgestein sauer oder alkalisch sein. Pflanzen, die hier gedeihen, sind zum Beispiel Lorbeerblättrige Zistrose (Cistus laurifolius) oder Rotblühende Spornblume (Centranthus ruber). Im imaginären Garten finden wir solche Stellen beispielsweise dort, wo mehrere Findlinge gruppiert sind.

Bildnachweis: shutterstock.com/Manfred Ruckszio

Lebensbereich Mauerkronen
Dieser Lebensbereich beschreibt Standorte auf den Mauerkronen von Trockenmauern, wobei das Ausgangsgestein (und somit der pH-Wert) variabel sein kann. Das häufig mineralische Substrat ist meist tiefgründig, jedoch mit geringem Volumen. Die Lichtverhältnisse sind sonnig oder absonnig. Gut geeignet für diese Standorte sind Pflanzen wie die Walzenförmige Wolfsmilch (Euphorbia myrsinites) oder Teppich-Nachtkerze (Oenothera missouriensis).

Lebensbereich Steinfuge
Dieser Lebensbereich ist stark mit dem vorher genannten verknüpft, unterscheidet sich jedoch durch das Volumen des Substrats, das in den Fugen und in schmalen Erdbändern zwischen Steinen deutlich geringer ist. Die Lichtverhältnisse hier sind ebenfalls sonnig oder absonnig. Besonders wohl fühlen sich in den Fugen beispielsweise das Berg-Steinkraut (Alyssum wulfenianum) oder verschiedene kompaktwachsende Glockenblumen (Campanula cochleariifolia, C. portenschlagiana, C. poscharskyana).

Lebensbereich Beet
Dieser Lebensbereich zeichnet sich durch nährstoffreiche, tiefgründige Böden aus, die sonnigen oder absonnigen bis halbschattigen Lichtverhältnissen ausgesetzt sind. Es können Feuchtigkeitsstufen von trocken bis feucht vertreten sein, wobei „frisch“ am häufigsten vorkommt. Diese Flächen eignen sich zur Kultivierung anspruchsvoller züchterisch bearbeiteter Pflanzen und erfordern einen hohen Pflegeaufwand. Beispiele hierfür sind das Blumenbeet oder im weitesten Sinne das Gemüsebeet, auch wenn die meisten Gemüsearten nicht zu den Stauden zählen, da sie nicht dauerhaft sind. Natürliche Vorbilder dieses Lebensbereichs sind subalpine Hochstaudenfluren. Klassische Beetstauden sind beispielsweise Sorten von Rittersporn (Delphinium spec.), Mädchenauge (Coreopsis spec.) oder Flammenblume (Phlox spec.).

Lebensbereich Wasserrand
Dieser Standort am Gewässerrand von künstlich angelegten oder natürlichen Gewässern ist durchgängig mit Wasser, jedoch mit wechselnden Wasserständen, versorgt und meist nährstoffreich. Er stellt den Übergangsbereich der Lebensbereiche Freifläche und Gewässer dar und kann feucht, wechselfeucht (Sumpfzone) oder nass (Röhrichtzone) sein und sonnige bis schattige Lichtverhältnisse aufweisen. Pflanzen, die sich für diesen Lebensbereich besonders eignen, sind unter anderem Sumpf-Vergissmeinnicht (Myosotis palustris), Wiesen-Taglilie (Hemerocallis lilioasphodelus) oder Sumpf-Schwertlilie (Iris pseudacorus) oder Sorten des Wiesen-Knöterich (Bistorta amplexicaule).

Lebensbereich Wasser
Standorte dieses Lebensbereichs sind von immer sichtbarem Wasser geprägt. Sie kommen an natürlichen oder künstlich angelegten Still- und Fließgewässern mit unterschiedlicher Fließgeschwindigkeit und Wassertiefe vor, beispielsweise im Teich unseres gedanklichen Gartens. Die Lichtverhältnisse sind sonnig bis halbschattig. In diesem Lebensbereich wird zwischen Schwimmblattpflanzen, beispielsweise Seerosen (Nymphea spec.), submers (= unter Wasser) wachsenden Schwimmblattpflanzen, wie etwa das Hornblatt (Ceratophyllum submersum) und nicht verwurzelten Schwimmblattpflanzen, zum Beispiel die Kleine Wasserlinse (Lemna minor) unterschieden.

Lebensbereich Steppenheide
Nun verlassen wir den imaginären Garten, um uns der Steppenheide zu widmen. Diese Unterkategorie des Lebensbereichs Freifläche umfasst sonnenexponierte Standorte mit schottrig-lehmigem Untergrund und einem neutralen bis alkalischen pH-Wert. Sie sind geprägt von Sommertrockenheit und unterscheiden sich zur Felssteppe durch eine geschlossene Pflanzendecke. Natürliche Standorte dieses Lebensbereichs sind Kalkmagerrasen oder Grassteppen.

Pflanzen dieses Lebensbereichs werden häufig zur Gestaltung von pflegeextensiven Staudenbeeten im urbanen Bereich verwendet, beispielsweise am Konzilsvorplatz in Konstanz. Diese Pflanzen sind an die Stressfaktoren der städtischen Umgebung angepasst. Pflanzen wie beispielsweise Goldhaar-Astern (Aster linosyris) oder die Kandelaber-Königskerze (Verbascum olympicum) kommen mit der urbanen Trockenheit und Hitze im Sommer gut zurecht.

Lebensbereich Felssteppe
Diesen Lebensbereich kennzeichnen tiefgründige, nährstoffreiche, aber humusarme Standorte mit lockerem Pflanzenbewuchs, die häufig sommertrocken sind, beispielsweise die Strauchheiden mediterraner Gebirge. Hier wachsen besonders nässeempfindliche Stauden sowie Geophyten und Zwergsträucher. Geeignete Pflanzen für Standorte dieses Lebensbereichs sind unter anderem Junkerlilie (Aspodeline lutea), aber auch die Chinesische Bleiwurz (Ceratostigma plumbaginoides) fühlt sich hier wohl.

Jetzt wissen Sie also, warum nicht jede Pflanze an jedem Standort funktioniert.

Bei dem System der Lebensbereiche handelt es sich um eine menschliche Kategorisierung, weshalb Pflanzen meist nicht nur für einen Lebensbereich in Frage kommen, sondern eine größere Standortamplitude aufweisen. Schauen wir uns zum Beispiel die Ästige Graslilie (Anthericum ramosum) näher an, dann stellen wir fest, dass die angegebenen Lebensbereiche Fr/SH/GR/St1 umfassen. Sie weist also eine besonders große Standortamplitude auf und kann in den Lebensbereichen Freifläche (Fr), Steppenheide (SH), Gehölzrand (GR) und Steinanlagen (St) in trockenen (=1) Bereichen eingesetzt werden. Das System der Lebensbereiche hilft also bei der Auswahl der richtigen Stauden für den eigenen Garten und verhindert Misserfolge bei der Kultur von Pflanzen. Es bietet eine Richtschnur, um bei der Neuanlage oder einem Make-Over von Pflanzflächen langfristigen Erfolg zu erzielen. Informationen zum entsprechenden Lebensbereich erhalten Sie in Staudengärtnereien, die auf Ihren Internetseiten häufig auch die Möglichkeit bieten, nach Lebensbereichen zu filtern.

Weitere Informationen
Lebensbereiche Gaissmayer
Stauden-Stade

Schlagwörter: Stauden, Lebensbereiche, Ziergärten, Lebensraum, Gartenbereich

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